Große schwere Regentropfen peitschen ihnen ins Gesicht. Panisch rennen sie so schnell, wie sie ihre Beine tragen können. Immer wieder drehen sie sich, mit ängstlichen Augen, um. Doch die lauten Stimmen und das Hundegebell kommen immer näher, sie können ihre Verfolger einfach nicht abschütteln.
Vom Blitz getroffen stürzt ein großer Baum krachend zu Boden. Seine Mutter wird eingeklemmt und kann sich nicht mehr befreien.
Plötzlich fallen Schüsse und dann stürzen schon die Jäger mit ihren Hunde laut rufend und bellend auf die Lichtung. Mit schwacher Stimme flüstert ihm seine Mutter zu. Lauf und versteck dich, bring dich in Sicherheit.
Der kleine Wolf rennt um sein Leben. Er läuft Tag und Nacht, bis er vor Erschöpfung umfällt und in einen langen, unruhigen, wenig erholsamen, Schlaf versinkt.
Das kitzeln der Sonnenstrahlen weckt ihn wieder auf. Blinzelnd, mit müden Augen blickt er in viele neugierige Augenpaare. Eine großen Schafherde hat ihn umkreist. Er erzählt den Schafen seine traurige Geschichte. Die gutmütigen Schafe haben Mitleid mit ihm und so nehmen sie das kleine Waisenjunge, in ihre Mitte, auf.
Zu grasen, den ganzen Tag zu meckern und zu blöcken, lernt unser junger Wolf. Die Zeit geht dahin und mit jedem Tag den er mit den Schafen verbringt, ist er mehr und mehr davon überzeugt, ebenfalls ein Schaf zu sein.
Eines Tages kommt wieder ein schweres Unwetter. Ängstlich drängen sich die Schafe und der junge Wolf zusammen. Pötzlich ertönt ein lautes Heulen, das sich schnell nähert. Mit schreckensgeweiteten Augen und panischen Geblöcke stoben die Schafe auseinander und versuchen sich in Sicherheit zu bringen.
Doch es ist bereits zu spät. Das Wolfsrudel hat sie umstellt und fängt an die ersten Schafe zu reißen. Auch unser junger Wolf versucht zu fliehen, doch er hat keine Chance, der Leitwolf stellt ihn. Mit tiefer grollender Stimme fragt er ihn, “Was soll das, ist das ein schlechter Witz? Warum lebst du als König des Waldes mit deinem Futter, den Schafen, zusammen?” Der junge Wolf versteht aber kein Wort, da er sich selber für ein Schaf hält.
Der Leitwolf packt ihn und schleift ihn zum nahegelegenen See. Blitze erhellen die Nacht und so sieht unser junger Wolf zum ersten Mal sein eigenes Spiegelbild im See. Ungläubig blickt er immer wieder von seinem Spiegelbild zum Leitwolf.
Dieser nickt ihm nur zu und spricht mit tiefer Stimme. “Komm mit uns und sei der, der du wirklich bist. Erlebe mit uns Abenteuer und Freiheit. Es wird mit Sicherheit nicht einfach, denn du wirst eine Menge lernen müssen. Aber ich kann dir versprechen, das du ein echtes, authentisches und spannendes Leben führen wirst.”
Du kannst aber auch gerne hier bei den feigen Schafen bleiben. Dann wirst du ein unauthentisches und ängstliches Leben führen. Ein Leben auf das du am Ende deiner Tage, mit großem Schmerz und tiefer Reue zurückschauen wirst. Doch merke dir eins, wer aussieht wie etwas zu Fressen und sich auch noch so verhält, der wird gefressen werden.
Der junge Wolf schließt sich, nach kurzem Nachdenken, dem Wolfsrudel an. Mit der Zeit fallen die Schwere, die Angst und die Sorgen der letzten Jahre, wie große schwere Felsbrocken, von ihm ab. Sich für das Wolfsrudel und somit sein wahres Ich zu entscheiden, stellt sich als die beste Entscheidung seines Lebens heraus.
Als der Leitwolf eines fernen Tages stirbt, übernimmt unser Wolf das Rudel. Er ist ein guter, gerechter und weißer Anführer.
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